… deutet mein großes Kind mit dem Finger auf das Wahlplakat und blickt mich fragend (und freudestrahlend) an.
Okay, mal wieder Gelegenheit, dem Leben ins Auge zu blicken. Ich hocke mich vor das Plakat, reiche Emma die Hand, ziehe sie auf meinen Schoß und signalisiere ihr damit, dass dieses Thema gewichtigeren Lebenswert hat als es im Vorübergehen zu besprechen. Jetzt weiß ich, wofür die vielen didaktischen Seminare an der Uni gut waren, die sich immer wieder mit dem Thema „Bildinterpretation“ beschäftigten.
„Ja, was macht der Affe denn da?“ – „Na der duscht“, kommt es mir aus dem völlig unbedarften Kindermund entgegen.
„Meinst du wirklich, dass der duscht? Schau doch noch mal genauer hin, was ist denn das Rote da um ihn herum?“
„Hm.“
„Und was hat der denn da oben auf dem Kopf?“ – „Eine Mütze.“
„Oh ja, da könntest du Recht haben, so etwas wie ’ne Duschhaube, damit die Haare nicht nass werden. Aber guck doch noch mal. Was sind denn das für rote Spritzer?“ – Stille.
„Ich glaube, das ist Blut. Und das Rote auf dem Kopf, das sieht auch wie Blut aus. Guck doch mal, das sieht aus wie das Gehirn des Affen, das da rausguckt. Dem wurde die Schädeldecke aufgeschnitten. Und die Schrauben da an dem Behälter. Die haben den Affen eingesperrt und festgebunden! Ich glaube nicht, dass der duscht, der hat einfach ganz doll Angst und Schmerzen!“ – Betretenes Schweigen, ich sehe, wie das kleine Kindergehirn arbeitet.
„Warum? – „Das ist eine gute Frage, mein Schatz. Ich finde das auch ganz schlimm. Aber wir Menschen benutzen Tiere, um an ihnen Dinge auszuprobieren. Damit es uns besser geht. Um z.B. eine neue Creme zu testen. An den Tieren wird ausprobiert, wie sie auf die Creme reagieren. Damit du keine roten Flecken bekommst oder es anfängt zu jucken, wenn du dich z.B. mit deiner Sonnencreme eincremst.“
„Aber wer hat ihn da eingesperrt?“, fragt mich mein Engel mit mitleidsvollem Blick. – „Ärzte, Wissenschaftler, Forscher. Menschen, die dazu beitragen wollen, dass du nicht krank wirst. Oder dass du schneller wieder gesund wirst, wenn du krank bist.“
Das Gespräch ist hier erschöpft. Ich nehme mein Kind in den Arm, drücke es ganz fest an mich und sage ihm, dass auch ich ganz traurig bin. Und dass es richtig und wichtig ist, mit anderen Lebewesen mitzufühlen. Und dass wir uns überlegen können, wie wir zu einer Linderung des Leids beitragen können.
Der erste Schritt jedenfalls ist getan bei diesem kleinen Menschen. Wir richten uns langsam auf und gehen weiter. Emma ist ganz betreten.
keine Kommentare