Mit Zähnen ist’s doof, ohne aber auch

„Frau Doktor, versprechen Sie mir, dass Sie heute ganz zärtlich zu mir sein werden?“
„Na klar, Frau Hanf, ich werd‘ ganz einfühlsam sein.“
– Am Ende lagen zwei gezogene Zähne auf dem Tray. Einer mehr als geplant.

Ich habe hin und her überlegt, ob ich meinen Zahnarztbesuch hier im Blog veröffentlichen soll. Vielleicht fühlt sich der eine oder die andere Blogleserin unwohl, findet das stillos, womöglich schadet es sogar meinem Ruf als Fotografin? Soll man seine Hochzeit von einer begleiten lassen, die so freimütig mit der eigenen Intimität hausieren geht? Igitt, das ist doch widerwärtig! Grauselig! Unästhetisch!

Ich stimme dem voll zu. Und eigentlich auch nicht. So gern ich a n s p r e c h e n d e Fotos hier in meinem Blog auch präsentiere, so gern rufe ich mich auch immer wieder zur Räson und sage mir: Es kann doch nicht nur „glückliche“ Fotos geben! Das ist mir zu platt, das will ich nicht – ich möchte das Leben zeigen! Und letztlich, so denke ich, verraten solche Geschichten meist mehr über einen Menschen als immerschöne Fotos es tun können.

„Schauen Sie sich mal die Zahnhöhle an!“ – Wir begutachteten beide das Foto, das Frau Doktor mit ihrer praktischen Mundkamera gerade von meinem Achter gemacht hatte. „Ziemlich kariös“, entgegnete ich ihr und sah in ihrem Gesicht sofort, was das zu bedeuten hatte. Die geplante Füllung dort war gestorben. Wo denn auch was bauen ohne ordentliche Substanz? Und ein Stiftaufbau auf ’nem Achter is‘ ja wohl auch nich‘ das Wahre.

„Nä, Frau Doktor, is‘ jetzt nich‘ Ihr Ernst, oder?“ – Ich blickte ihr angsterfüllt und mitleidheischend in die Augen. Die Vorstellung, n o c h e i n e n Zahn gezogen zu bekommen, war Grauen erregend, Gott NEIN! – „Hm, wir können das auch aufs nächste Mal verschieben, aber wo die Seite eh betäubt ist, ist’s doch quasi praktisch.“ – „Ja, klar.“ Ich hatte kein Argument, um mich aus der Affäre zu ziehen.

Gekommen war ich, um den Wurzelrest des davor liegenden Siebeners entfernen zu lassen. Dieser Termin stand schon seit Wochen in meinem Kalender, ich konnte mich auf dieses widerwärtige Ereignis also gedanklich gründlich vorbereiten. Meine Gefühle dabei? Bäh. Würg. Schrecklich. Will ich nich‘. All der Aufwand, all die Rennerei, all die fürchterlichen Schmerzen, die ich im Zuge einer Wurzelbehandlung an diesem Zahn auf mich genommen hatte – und nun war er hin. Abgebrochen. Ein gnadenloses Schicksal für einen wurzelbehandelten Zahn. Ziemlich perspektivlos mit noch ’ner Entzündung unten dran.

Nun denn, auf geht’s. Der Beinsche Hebel ging an sein Werk. Es knarzte und krachte und der Druck, der dabei entstand, konnte nicht unangenehmer sein. Frau Doktor war voll in ihrem Element. Unaufhaltsam bohrte sie ihr Instrument zwischen Zahn und Knochen und mit gekonnten Bewegungen hatte sie die Ruine kurze Zeit später aus der Alveole herausbefördert. Plopp, da lag sie nun auf meiner Zunge. Was für ein Grauen!

Dem zweiten Zahn erging’s ähnlich und ich glaube, ich habe der Zahnarzthelferin sehr weh getan. Sie hielt meine Hand, weil ich sie drum gebeten hatte und sie hat ordentlich was einstecken müssen. Danke!

So, Frau Doktor: Sie haben die blutige Sauerei angerichtet, Sie flicken das auch wieder schön zusammen bitte! „Momentchen kurz, ich will schnell ein Foto von dem Faden an ihrer Pinzette machen!“ – „Machen Sie mal, solange ich da nicht mit drauf bin.“ – Köstlich, der Smalltalk nebenher.

Dieser Termin heute war der grauseligste seit langer Zeit für mich. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich vorher genau weiß, was auf mich zukommt. Ich hab von allem eine bildliche Vorstellung und kenne die Arbeitsabläufe. Ich kann dem nicht entkommen – ein Erbe meiner Ausbildung zur Zahnarzthelferin.

Andererseits bin ich davon überzeugt, dass genau dieses Wissen mir hilft, mit der Angst umzugehen. Wenn ich weiß, was geschieht, muss ich mich eben nicht ständig voller Angst fragen, was denn da jetzt genau passiert und wann denn das ein Ende haben wird. Ich kann mich viel ausgiebiger meinen Empfindungen widmen und Strategien entwickeln, um mit der Angst besser zurechtzukommen.

Wie auch immer, mir reicht’s erst mal mit Zahnarzt. Wenn ich hätte wählen können, hätt‘ ich heute lieber noch mal ’n Kind gekriegt. Da weiß ich, wofür ich ackere. Und das Ergebnis ist viel schöner. Trotzdem tausend Dank Frau Doktor und ihren fleißigen Helferinnen! Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Und einfühlsam behandelt. Und nett unterhalten. Wenn’s auch abscheulich war :-(.

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