Stockholm: von Mitternacht bis Nachmittag

Das war mal wieder eine Reise! Mit dem Flieger für 20 Euro hin und zurück, nur mit Handgepäck ausgestattet, schnupperten wir nordeuropäische Luft im schönen Schweden. Sandra, meine hannoversche Freundin aus Zeiten unserer Zahnarzthelferinnen-Ausbildung, wollte das tapfer mit mir durchstehen. Und sie hat das gut gemeistert!

Dass wir nun auch schon zum älteren Eisen gehören und uns nächtelange Bustouren a la Rainbow-Tours nicht mehr so locker flockig aus den Knochen weichen, stellten wir spätestens Samstagmorgen fest. Von den ersten Frühlingstemperaturen der letzten Tage beeindruckt, die Wintermäntel in den Schrank verbannt, waren wir die Nacht über frühlingshaft bekleidet durch die Stadt gestriffen. Dass hier ein anderer Wind wehte, hatten wir bereits beim Heranrollen der Maschine an ihre Parkposition erkannt: Überall lagen große, zusammengekehrte Schneeberge auf dem Rollfeld. Und wir wollten nun also die Nacht durchmachen! Brrr.

So viele Mc Donald’s-Filialen auf so kleinem Umfeld habe ich noch nie gesehen! Das war unser Glück: Immer wieder kehrten wir auf unserem Marsch in einer ein, wärmten uns auf und ernährten uns von Fast Food. Im Nachhinein haben wir den Eindruck, literweise Kaffee getrunken zu haben.

Aber wir sahen auch viel von Stockholm. Von der Central Station schlugen wir uns zunächst einmal zur Drottninggatan durch. Diese Einkaufsmeile zieht sich auf schätzungsweise vier Kilometern von Nord nach Süd einmal durch die Stadt. Wenn wir uns verlaufen hatten, kehrten wir immer hierher zurück und bahnten uns so unseren Weg weiter. Im Süden schließt die Drottningatan ab und ebnet den Weg in die Gamla stan, die Altstadt. Gegen zwei überschritten wir die Brücke ins sogenannte authentische Stockholm, dessen Straßen und enge Gässchen ein atemberaubendes Bild liefern. Gamla stan schlief bereits, aus keinem Pub drängten mehr Geräusche nach draußen, nur vereinzelte Grüppchen fröhlicher Freitagnachtfeierer kreuzten hin und wieder unseren Weg. Wir hatten die Stadt also für uns.

Die Central Station gab uns ab kurz nach fünf Herberge, wir gönnten uns den ersten wirklich gut schmeckenden Kaffee und noch einen zweiten und kauerten in den gemütlichen Sofas des Bahnhofs-Coffee-Shops. Jetzt hatten wir zwar die Nacht hinter uns gebracht, aber noch volle acht Stunden zur Verfügung bis zur Abfahrt zum Flughafen. Durchgefroren und übermüdet, bemitleideten wir uns selbst, rafften uns aber bald zum zweiten Teil unserer Unternehmung auf. Stockholm im Hellen war etwas ganz Anderes. Vieles sah nun grau und uninteressant aus, was gerade noch durch die Lichter der Stadt in einer ganz besonderen Stimmung aufgegangen war. Dennoch: Es roch plötzlich nach frischen Backwaren und Kaffee, Menschen kamen aus ihren Häusern, die Stadt begann sich zu bevölkern. Müllentsorgungsfahrzeuge taten ihren Dienst und karrten den Dreck der letzten Partynacht weg. Wie es eben üblich ist an einem Samstagmorgen in der Großstadt.

Wir ließen die letzten Stunden langsam angehen und verbrachten, nachdem wir noch die nördliche Richtung der Drottningatan erkundet hatten, einige Zeit auf den Holzbänken der Central Station. Was für ein Gewusel. Menschen kamen und saßen neben uns, warteten länger oder nur kurz auf ihren Zug, aßen, tranken, erzählten, lachten – all das sehr respektvoll und angenehm. Mir ist kein einziger Schwede (oder auch Schweden-Migrant) aufgefallen, der jemand Anderen, auch nicht seine Kinder, angeschrieen, an den Armen mit sich gerissen oder allgemein unwürdig behandelt hätte. Irgendwie kam mir das vor wie in einer anderen Welt. Mit Berlin verglichen war das auch eine andere; eine Welt, die bei mir einen außergewöhnlich freundlichen und hilfsbereiten Eindruck hinterlassen hat. Eine Reise war sie auf alle Fälle wert!

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